Deutsches Hygiene-Museum Dresden

"Auf die Plätze" Sportausstellung zur FIFA Frauen-Fussball-WM 2011

Im Jahr der Frauen-Fussball-Weltmeisterschaft kommt "Auf die Plätze" als Sonderausstellung des Hygiene-Museums genau passend zu den vier in Dresden stattfindenden Weltmeisterschaftsspielen.

kunststoff, April/Mai/Juni 2011, Seite 74 bis 75

"Auf die Plätze" Sportausstellung zur FIFA Frauen-Fussball-WM 2011

     Auch Clara Zetkin, die Frauenrechtlerin, soll ihm zum Plan eines National-Hygiene-Museums gratuliert haben. Der Dresdner Industrielle Karl-August Lingner, wurde nach seinem Welterfolg mit ODOL, zum Protagonisten der ersten Internationalen Hygieneausstellung „Zur Belehrung der Allgemeinheit über die Gesundheitspflege“, zu der im Jahr 1911 Besucher in Rekordzahl von fünfeinhalb Millionen geströmt sind.

     Ein eigener Bau für das Museum konnte erst 1927-30 realisiert werden. Das Gebäude des Architekten Wilhelm Kreis an der Bürgerwiese, in Sichtachse zur Hauptallee des Großen Gartens, zählt zu den bemerkenswerten Architekturen der 20iger Jahre in Dresden. Es zeichnet sich außen wie innen durch eine funktionale, puristische Strenge aus, die zur Erbauungszeit nicht einmal die Aufschrift ‚Deutsches Hygiene-Museum‘ zuließ – um deren Anbringung die Dresdner heute streiten. Seinen monumentalen Charakter erhält es durch einen hohen kubischen, zwei seitliche Kopfbauten überragenden Mittelbau, dessen Schaufassade von vier Säulen vor dahinterliegender Fenster- und Türenfront beherrscht wird. Sie öffnen über ein Vestibül in die Eingangshalle. Zeitcharakteristische Fensterbänder bis unter die Traufe der flachen Dächer, ziehen um die rückwärtigen Bauflügel, die ein Atrium von kontemplativer Atmosphäre umschließen. Dort steht auch wieder die 3,30 Meter hohe Plastik „Hygieia“, die Karl Albiker geschaffen hat.

     Ein nur in Fragmenten realisierter Umbau des Museums durch die Wiener Architekten Coop Himmelb(l)au in den 90iger Jahren markiert sich mit einem Schrägschnitt durch den südlichen Kopfbau. Begonnen in 2002 konnte 2010 die Rekonstruktion und Generalsanierung des ganzen Komplexes abgeschlossen werden. Den Architekten Peter Kulka und Partner, Dresden/Köln, gelang, das Gebäude in seiner Kubatur, der Erschließungsstruktur und den Merkmalen der Gestaltung weitgehend auf das Original zurückzuführen. Technik und Sicherheitssysteme wurden für heutige Anforderungen aufgerüstet wie auch die Raumstrukturen, wo erforderlich, für das Museum und Ausstellungshaus mit hohem Publikumsverkehr und auch als beliebtes Tagungszentrum, funktional dem heutigen Bedarf angepasst worden sind. In die Sanierung sind rund 41 Millionen Euro von Bund, Freistaat Sachsen und Landeshauptstadt Dresden geflossen.

Kompetenz
     Das Ausstellungskonzept der Dauer- und Sonderausstellungen unter dem Generaltitel ‚Mensch‘ des Deutschen Hygiene-Museum Dresden (DHMD) besteht seit jeher in einer schlüssigen Verknüpfung von populär aufbereiteten Wissenschaftserkenntnissen, didaktisch-eingängig visueller Darstellung und durchdachter Einbindung von Kunstobjekten. Hinzugekommen ist, gesellschaftliche Relevanzen aufzuzeigen, nicht nur wie, sondern auch in welchen sozialen, kulturellen Systemen und Zusammenhängen ‚Körper‘ funktioniert. Mit seiner hohen Kompetenz Wissen und Bildung lebendig zu vermitteln, gehört das DHMD mit einer jährlichen Besucherzahl von gut einer Viertelmillion zu den wichtigsten Kultureinrichtungen der Landeshauptstadt. Diese Kompetenz manifestiert sich auch in vielerlei Kooperationen wissenschaftlicher, musealer, institutioneller Art.

„Auf die Plätze“
(c) Bäumler     Seit längerem schon, ist das Thema Sport auf der Agenda der Ausstellungsplanung des DHMD. Jetzt, im Jahr der Frauenfußball Weltmeisterschaft, kommt „Auf die Plätze“ als große Sonderausstellung genau passend zur Dresdner Tranche von vier Spielen der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Deutschland 2011, die vom 28. Juni bis 10. Juli 2011 im erneuerten Rudolf-Harbig-Stadion Dresden fußballbegeisterte Massen anziehen wird. Von denen auch Ströme ins Museum erwartet werden, zumal es in Sichtweite und an den Wegen zum Stadion gelegen ist.
„Eine Fußball-Show inszenieren wir aber nicht“ betont die Kuratorin der Ausstellung Susanne Wernsing, auch wenn das populäre Spiel unter den Kriterien für Sport die beleuchtet werden wie Körper, Wettkampf, Spiel, immer wieder zu finden sein wird. Auch eines der präsentierten Kunstobjekte bezieht seine Attraktion aus dem Kampfspiel mit dem runden Ball. Harun Farockis Videoinstallation 'Deep Play' zeigt auf 12 Bildschirmen welche unterschiedlichste Erlebniswelten entstehen, wenn Festkameras auf verschiedene Szenen des Spiels und seines Umfelds fokussieren – in Echtzeit der 90 Minuten des Endpiels der Fußballweltmeisterschaft 2006 zwischen Italien und Frankreich – was Fans anziehen wird.

(c) Bäumler     Die Ausstellung richtet sich nicht nur an Sportinteressierte, sportlich Aktive und Fans. Mit kulturwissenschaftlicher Ausrichtung bringt das Museum auch grundlegende Elemente von Kultur und Gesellschaft, die sich im Sport wiederspiegeln, zur Darstellung. Es schöpft dazu aus einem reichen Fundus von Exponaten historischer Turn- und Sportgeräte, Trainingsmaschinen, Zeitmesser und Zielkameras, Funktionskleidung und Fitnesszubehör, Dokumenten aller Zeit. So wird mit Filmsequenzen vom Eröffnungsritual, der Architektur im Modell der Stadien Berlin 1936, München 1972, Peking 2008, auf die globale politische Dimension und ideologische Ausrichtung des neuzeitlichen olympischen Spiels gewiesen.

     Allfällig wird das Ausstellungspublikum animiert, sich mit dem Grundelement von ‚Sport‘, körperlicher und geistiger Bewegung, interaktiv einzubinden. Es steigt über Rampen hoch, stolpert über eine Skaterbahn. Jung/Alt kann klettern, springen, am Boxsack sich erproben, in einer Medieninstallation gegen Konkurrenten gewinnen.
Gestaltet wurde die Ausstellung vom Team des Berliner Bühnenbildners Jan Pappelbaum, der als Ex-Leistungssportler im Nationalkader Volleyball, im Thema nicht unerfahren ist. Mit Sprossenwänden rundum, ist im Themenraum der Sportausübungen, eine überzeugend sportaffine Ausstellungsarchitektur gelungen. Die Sprossenleitern aus Turnhallenzeit dienen als Träger der Exponate. Ebenso aber, laden sie zu sportlicher Übung ein, sich mit Klimmzug und Überklettern zu erproben.

     Kuratorin und Gestalter haben das Thema inhaltlich in vier Divisionen gegliedert, die räumlich über die 1200 Quadratmeter Ausstellungsfläche führen:

Was ist Sport? Immer mehr Sportarten denkt sich der Mensch aus, heute Trendiges ist morgen schon olympiareif. Der Parcours durch die Ausstellung beginnt in einer Art ‚Wunderkammer‘, die den Besucher mit der Installation in beeindruckender Fülle von historischen und aktuellen Sportgeräten innerhalb einer Großvitrine empfängt. Der Vielgestaltigkeit der Geräte entsprechen erstaunlich geformte Sportlerkörper, die auf weiterem Weg Augen auf sich ziehen.

Körper: Im zweiten Raum wird auf den ‚Körper‘ geschaut bezogen auf Gesundheit, Schönheit und Leistung. Ob mit Bodybuilding, im Höhenskiflug, beim Hundertmeterlauf oder Basejump, immer geht es an die natürlichen Grenzen des Körpers und deren Steigerung zu kräftiger, höher, schneller, weiter. Was schaffen wissenschaftliches Training, technische Mittel, Dopingmethoden dazu?

Wettkampf:
Früher der Wettlauf zu den Polen, Anstieg zu höchsten Gipfeln, heute der Extremsport im Wettbewerb der besten Athleten und zwischen den Nationen, ist was Identitäten stiftet. Gefragt wird nach Gemeinsamkeit und Gegnerschaft, wie Regeln und Schiedshilfe entstehen für Duell, Wettstreit, Länderkampf, nach Gewalt und deren Beherrschung.

Spiel:
Vor allem in Großstädten, breiten sich Bewegungskulturen aus, die auf Mühelosigkeit statt auf Leistung setzen. Traditionellem Wettkampfsport treten spielerische Elemente gegenüber - es zählt der Stil. Lifestylesport bezieht Mode, Musik und Kunst mit ein. Die vierte Division orientiert über Sport zwischen Arbeit, Freizeit und Spiel.
Durch den Parcours zieht sich – das ist eine besondere Qualität der Ausstellungen des DHMD - in Auswahl der Ko-Kuratorin Katharina Mathiasek, eine Reihe von zeitgenössischen künstlerischen Positionen, die das Thema Sport auf ihre Weise reflektieren. (Bäu)

Die Wichtigsten Kunstobjekte:

Samuel Bianchini „What’s More With Many“ interaktive Videoprojektion 2001
Lucinda Devlin „Water Rites“ Farbfotografien 2004
Harun Farocki „Deep Play“ Videoinstallation 2007
Margret Hoppe „Die Kammer, Kienbaum“ Farbfotografien 2008
Antal Lackner „Iners“ interaktive Installation 2001
Ulrike Lienbacher „Turnerinnen“ Tuschezeichnungen 2007-2010
Paul Pfeifer „John 3:16“ Videoinstallation 2000
Nicolas Provost „Bataille“ Kurzfilm 2005
Rassim „Corrections“ Videoinstallation 1996-1998
Uri Tzaig „Infinity“ Videoarbeit 1998

„Auf die Plätze“ Sportausstellung des Deutschen Hygiene-Museums
, 16. April 2011 bis 26. Februar 2012, Dienstag bis Sonntag, Feiertage: 10 bis 18 Uhr, Eintritt 7/3 Euro, Kinder frei, 50 % Ermäßigung in Verbindung mit FIFA-Ticket, Lingnerplatz 1 Dresden,
www.dhmd.de/Ausstellungen

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