Residenzschloss Dresden

Schlingrippengewölbe der Schlosskapelle

Schlingrippen4Schon zur Entstehungszeit bedurfte es größten baumeisterlichen und handwerklichen Könnens, was heute als höchster Ausdruck der Baukunst der Spätgotik gilt, die Schlingrippengewölbe. Nur selten ist die bauhistorische Rarität einer solchen Gewölbeform noch zu finden, in Sachsen überkrönt sie die St. Annenkirche in Annaberg-Buchholz – und, nun wiederhergestellt 460 Jahre nach Erstaufmauerung, die Kapelle im Dresdner Residenzschloss.

Veröffentlicht:
Sächsische Immobilenzeitung 4/2013, Seite 1 und 3

Musik in Dresden 18.10.2014, Features

Himmlische Überkrönung

Schlingenrippen 1      Die Schlosskapelle war im Zuge einer Schlosserweiterung unter dem lutherisch gesinnten Kurfürst Moritz für Gottesdienste in der Mitte des 16ten Jahrhunderts errichtet worden. In ihrer Ausgestaltung geprägt vom Stil der Hochrenaissance, war sie nach der Schlosskapelle von Schloss Hartenfels in Torgau der zweite Innenkirchenraum Sachsens für lutherische Gottesdienste. Die Kapelle war geistiger Zentralort des Hofes, Amtsort der Hofprediger und auch Zentrum reichen kirchenmusikalischen Musizierens des Frühbarocks. Damit war sie Wirkungsstätte in späten Jahren des Komponisten und Kapellmeisters Heinrich Schütz (1585-1672). Hier übernahm er die in Deutschland führende Dresdner Hofkapelle. Eigens für die Postierung seiner vielköpfigen Vokalchöre erhielt sie zwei Emporen auf der Altarseite der Kapelle im großen Hof des Residenzschlosses Dresden.

      Mit der Konversion August des Starken zur katholischen Kirche 1697 verlor die Schlosskapelle ihre zentrale Bedeutung als Kirche des Hofes und Zentrum der evangelischen Kirchenmusik. Die neuerrichtete katholische Hofkirche Bedeutung übernahm diese Funktion. 1737 gänzlich als sakraler Raum aufgegeben, wurde die Schlosskapelle ausgeräumt, der Altar ging an die Sophienkirche, innen wurde abgeschlagen, Geschosse eingezogen, umgebaut für weltliche Nutzungen. Die Totalzerstörung des Residenzschlosses 1945 erst, ließ zwischen den Stümpfen der Ruinen die Kubatur der früheren Schlosskapelle wieder erkennen. Ihre Wiedererrichtung kam erst spät in Erwägung, mit dem Konzept das Residenzschloss zum Dresdner Museumsareal aufzubauen. Die Rekonstruktion der Schlosskapelle erfolgte soweit, dass ab Anfang der Zweitausender Jahre in Rohbauszustand als atmosphärisch reizvolle Ersatzspielstätte für das Kleine Haus des Staatsschauspiel Dresden dienen konnte.

Spektakuläre Rekonstruktion

Schlosskapelle5      Die originäre Rekonstruktion des überdeckenden Gewölbes wurde nach Vorarbeiten vor drei Jahren begonnen. Es gab keine Skizzen, Pläne, Dokumentation, das Handwerkswissen war längst verloren, lediglich ein zeitgenössischer Kupferstich von 1676 zeigte wie es einmal war. Die geballte Kreativleistung des Teams von Experten der Architektur und Statik am Computer, Materialforschung im Versuch, Bauerfahrung und besonders Handwerkergeschick an Probeachsen, schafften die Wiederbelebung der mittelalterlichen Handwerkstechnik „mit doppelt gekrümmten, profilierten Rippen aus Sandstein ein Gewölbe zu bauen.“ Das vierhundert Jahre lang schlummernde Geheimnis der ‚Schlingrippengewölbe‘ ist gelüftet. Einen Großen Antel daran leistete Architekt Jens-Uwe Anwand der darüber auch seine Dissertation schrieb. Die Rekonstruktion des Gewölbes gelang durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Planern, Architekten und "Wissenschaftlern der TU Dresden. Schon vom Entwurfsprozess an zeigt es sich authentisch: die verwendeten Materialien und der handwerkliche Herstellungsprozess entsprechen dem Original. An der TU Dresden laufen Forschungen zur Architektur der Spätgotik. Am Institut für Kunst- und Musikwissenschaft hat sich in den letzten Jahren eine der führenden Forschungsgruppen auf diesem Gebiet herausgebildet, ebenso zur Geschichte des Konstruierens, speziell zur historischen Technik des Gewölbebaus. Auch die Entwicklung einer experimentellen Schaleiikonstruktion aus Mauerwerk stellte jene wichtige Grundlage für die Konzeption der jetzt neu errichteten Gewölbedecke dar.

Schlingrippen5      Das von zwei Reihen Sandsteinsäulen getragene, gegen Widerlager sich stützende Rippengewölbe, ist besonders geziert durch die Ornamentik seiner Mittelrosetten. Es überspannt freitragend die Hallenfläche von 9 mal 28 Meter. Die Rekonstruktion des Schlingrippengewölbes verschlang 1,8 Millionen Euro, insgesamt sind in den Bau der Schlosskapelle 3,5 Millionen geflossen. Bauträger unter vielfach bewährter Leitung von Ludwig Coulin ist das Sächsische Immobilien und Baumanagement (SIB) des Freistaates Sachsen.

Zukunftsmusik

      Die himmlische Schönheit - dieses Adjektiv ist hier wahrlich angebracht - des Schlingrippengewölbes verlangt nach Vervollständigung und Gestaltung des Hallenrohbaues in wenigsten angenäherter Rekonstruktion. Dafür sei kein Geld da, sagte Ministerpräsident Stanislaw Tillich, mit deutlichen „noch“, bei der Feier zur Fertigstellung der Gewölbedecke. In ökumenischer Eintracht gaben die Bischöfe Jochen Bohl (ev.) und Heiner Koch (kath.) ihren Segen, wenn auch die Schlosskapelle nicht mehr sakral genutzt werden wird. Zum einen soll der Saal wieder für Konzerte, vorrangig Alter Musik, aber nicht nur, genutzt werden. Dann wollen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) hier Kolloquien, Vorträge zu Ausstellungsereignissen im Schloß veranstalten. Dritte Säule der Nutzung soll Vermietung für Veranstaltungen Externer sein. Dazu geht die die Kapelle ab 1. Januar 2014 in die Verwaltung durch SKD. Alles musikalische Geschehen – die gute kammermusikalische Eignung war schon zu hören - steuert ein eigener achtköpfiger Beirat zu Fragen der Konzerttätigkeit in der Schloßkapelle die SKD berät.

      Die Cappella Sagittariana Dresden, die sich der Pflege der Werke des großen Meisters der frühen Barockmusik widmet, erhofft sich dabei ein "Hausrecht" aus triftigem Grund, war doch der lateinische Namen von Heinrich Schütz Henricus Sagittarius.

      Und noch eine Hoffnung wurde ausgesprochen, dass der „Historische Zentralraum evangelischer Kirchenmusik“ irgendwann seine Orgel wiederbekommt, als Nachbau des früheren Orgelwerks der Kapelle der Orgelbauer Hassler und Fritsche. (Bäu)

„Das Schlingrippengewölbe der Dresden Schlosskapelle“, Architekt Jens-Uwe Anwand, Holger Krause Herausgeber, Verlag Kamrad 2013, www.vkjk.de



Weitere Artikel zum Thema, veröffentlicht in Sächsische Immmobilienzeitung 4/2011, Seite 3

Schlosskapelle - Wölbtechnik der Spätgotik wiederendeckt

Schlosskapelle9     Jahrelange Forschungsarbeit, Modellstudien, Computerberechnungen der Architekten, von Ingenieuren und Wissenschaftlern lüfteten das Vierhundert Jahre lang schlummernde Geheimnis der ‚Schlingrippengewölbe‘. Die mittelalterliche Handwerkstechnik mit doppelt gekrümmten, profilierten Rippen aus Sandstein ein Gewölbe zu bauen, ist wiederbelebt. In der zur Restaurierung anstehenden Kapelle des Dresdner Residenzschlosses ist ein vollständiger Bogen als Probejoch inzwischen aufgeführt. Die am Boden vorgefertigten Gewölberippen wurden mit Hilfe eines Lehrgerüsts, das ein zentraler Baumstamm trug, zusammengesetzt und mit Edelstahlstiften verankert. Die Kappen über den Rippen aus speziell gebrannten Ziegeln im historischen Klosterformat sind mit ‚Kalkspatzen‘-Mörtel ohne Unterschalung frei gemauert. Architekt Jens-Uwe Anwand, der auf Basis der Vorforschung, die Technik entwickelte und den Gewölbebau plante, ist sicher, dass nach Belastungstest und eventuell notwendiger Anpassung, das Bauen des Gewölbes der Halle beginnen und Ende 2012 fertig werden kann. Das von neun Säulen getragene, gegen Widerlager sich stützende Rippengewölbe, ist besonders geziert von der Ornamentik seiner Mittelrosetten. Es überspannt freitragend die Hallenfläche von 8 mal 9 Meter.
Für den Einbau des Gewölbes und die Herrichtung der Schlosskapelle zur Interimsnutzung in Rohbauzustand für Konzert- und andere Veranstaltungen, investiert der Freistaat 2,3 Millionen Euro. Der Cappella Sagittariana Dresden, die sich der Pflege der Werke des Meisters der frühen Barockmusik widmet, soll dann die Schlosskapelle zum Hauptaufführungsort werden.

Schlosskapelle8     Dieses Projekt, unter Maßgabe bestmöglicher Authentizität der Rekonstruktion, unterliegt der bewährten Leitung durch Ludwig Coulin vom Sächsischen Immobilien- und Baumanagement (SIB). Beteiligte und zuliefernde Firmen sind Dreßler Bau, Dresden, Fuchs+Gierke, Ottendorf-Okrilla, Postaer Sandsteinwerke, Pirna, Ziegelwerk Klaus Huber, Leuben-Schleinitz.

     Finanzminister Georg Unland, der persönlich die Arbeiten in der Schlosskapelle vorstellte: „Jeder investierte Euro rentiert sich hier mehrfach, denn das erarbeitete Know-how sächsischer Firmen wird über die Grenzen des Freistaates hinaus in ganz Deutschland und Europa zunehmend nachgefragt.“ (Bäu 25.10.2011)


Diese Website benutzt nur technisch zwingend notwendige Cookies und Informationen, die für den Betrieb der Seite unbedingt erforderlich sind.