Gedenken an Bücherverbrennung 1933
Feuerfanal an der Südhöhe
Mächtig, beängstigend fest, erhebt sich die 1906 auf Initiative der Dresdner Studentenschaft errichtete Bismarksäule über die Räcknitzer Anhöhe im Süden der Stadt.Der dem Bismarckmythos verbundene Bau von 1906, wie auch das gleichartige Monument in Dresden Coswig, geht auf einen Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis zurück, der später zum Freundeskreis um Albert Speer und Adolf Hitler gehörte.
Plauener Zeitung/Dresdner Stadtteilzeitung 4/2013, Seite 1 und 2
Mit einem weithin in die Stadt sichtbaren Feuerfanal wurde am 10. Mai 1933 dieser besondere Ort zum makabren Schauplatz der von der Deutschen Studentenschaft getragenen »Aktion wider den undeutschen Geist«.
Die Dresdner hatten es nach Hitlers »Machtergreifung« im Januar 1933 eilig. Schon fünf Wochen später und zwei Tage nach der allen rechtsstaatlichen Maßstäben hohnsprechenden »Wahl« des letzten »freien« Reichtages vor der Diktatur, loderten Flammen der ersten Bücherverbrennung. Am 7. März 1933 vor der Volksbuchhandlung an der großen Meißner Straße und wieder am 8. März am Wettiner Platz. Ein zeitgenössisches Foto dokumentiert, wie bewaffnete Polizisten sich offensichtlich schützend vor das Autodafé (Ketzergericht bzw. -verbrennung - die Red.) stellten und zuließen, dass ein SA-Sturm Stapel aufgeschichteter Bücher aus den Beständen der Volksbuchhandlung und dem Verlagshaus der sozialdemokratischen »Dresdner Volkszeitung« anzündeten.
Deutschlandweit fanden von März bis Oktober 1933 insgesamt 93 Bücherverbrennungen in 70 Städten statt. Vor Ort organisiert wurden die Autodafés meist von der Deutschen Studentenschaft und der Hitlerjugend. In das kollektive Menschheitsgedächtnis eingegangen ist die groß inszenierte Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz mit dem gespenstischen Auftritt von Propaganda Minister Goebbels. Im Anschluss an die Antrittsvorlesung von Alfred Baeumler, der 1933 von der Technischen Hochschule Dresden an die Berliner Universität gekommen war, formierte sich ein Fackelzug zum Opernplatz. Begleitet von »Feuersprüchen« wurden vor Mitternacht Tausende Bücher Opfer der Flammen. In Abstimmung mit der Berliner Studentenführung fand fast zeitgleich die organisierte Bücherverbrennung an der Dresdner Bismarcksäule statt. Zunächst hatten sich Hunderte Studenten, vielfach in SA- oder SS-Uniform, im Saal des Studentenhauses auf der Mommsen Straße 13 eingefunden, um die »Festrede« des den Nationalsozialisten verbundenen Dichters Will Vesper zu hören, der auf die Bücherverbrennung einstimmte. Anschließend formierte sich ein Zug von »Gruppen brauner SA-Kolonnen« sowie »buntbemützter Musensöhne«, begleitet von einer Schar »unzähliger Neugieriger«. Sie alle marschierten »unter Trommel- und Pfeifenklang im langen Zuge auf die Höhe der Bismarcksäule einem beliebten Dresdner Ausflugsziel.
Nach Ankunft des Marschblocks am Fuße der Säule steckten Studenten einen gewaltigen Stapel aufgeschichteter Bücher, die vorher in einer großangelegten Sammelaktion auf der Grundlage spezieller Listen zusammengetragen und »begutachtet« worden waren, in Brand. Mit aufputschenden Reden heizten der Führer des NS-Studentenbundes und der Älteste der Dresdner Studentenschaft die Stimmung mit Angriffen auf die Gegner des Nationalsozialismus an. So wurden unter vorgegebenen »Feuer Sprüchen« zuerst die Werke von Karl Marx mit dem Ruf »Wir wollen kein Kapital haben, sondern Deutschland«. Ebenso wurde das Erfurter Programm der SPD in die Flammen geschleudert. In jener Nacht verbrannten die Werke von Heinrich Mann, von Erich Kästner, von Kurt Tucholksy, von Erich Kerr, von Emil Ludwig wie vom Verfasser des wohl berühmtesten Antikriegsromans »Im Westen nichts Neues«, Erich Maria Remarque. Das gleiche Schicksal erlitten die Bücher des bekannten Berliner Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld, des Psychologen Siegmund Freud und des Pazifisten und Pädagogen Friedrich Wilhelm Foerster. Rund fünfeinhalb Jahre später brannte am 9. November 1938 die Dresdner Synagoge.
Diese Fanale markieren den verhängnisvollen Weg, der letztlich in den Feuersturm des 13./14. Februar 1945 mündete. Unleugbar ist der Zusammenhang mit den Bücherverbrennungen zwölf Jahre zuvor am Anfang des »Tausendjährigen Reichs«.
Peter Bäumler und Matthias Lienert