Kafkas Prozess - Die Dramaten im Dresdner Societätstheater
… lispelnd, hechelnd, schreiend stampft sich archaisierend ein fünfundzwanzigköpfiger Chor in den „Prozess“ hinein - lange. Die dritte Inszenierung des Spielhalbjahres der derzeit ‚heißesten’ Dresdner Theatergruppe Dramaten hatte mit Kafkas Prozess unter der Regie von Volker Metzler hatte ihre Premiere im Societätstheater Dresden. Mit Komposition von Karsten Gundermann, librettiert von Lutz Graf und Choreografie von Katja Erfurth. Die Dramaten …
TOP-Magazin Dresden 4/2008, Seite 36
Eine Tasse dampfenden Tees, Note Frauen-Tee, begrüßt den Interviewer in den für Proben und als ihre Heimstatt auf 240 Quadratmeter entkernten Büroräumen in der Dresdner Neustadt. Und auch sonst wollen sie Anderes auf andere Weise geben, ambitionierte Dramaten, wie die acht Theaterleute theatralisch betonend sich nennen, die seit Spielzeitbeginn Dresdens Freie Szene mit inzwischen schon zwei Produktionen bereichert haben.
Sie fanden sich zusammen, die alle ausbrechen wollen aus den Strukturen des Stadt-, Landes-, Staatsbühnengefüges, Freiraum sich schaffen für selbstbestimmtes, kreativ künstlerisches Theaterspiel. Volker Metzler (43), zuletzt tätig als Oberspielleiter des Theaters der Jungen Generation TJG, kehrte dort Ende der letzten Spielzeit, mit dem Intendantenwechsel von Dietrich Kunze zu Felicitas Loewe, dem Stadttheater den Rücken zu. Um ihn, als dem künstlerischen Leiter der neuen freien Gruppe, scharen sich die weiteren Mitgründer, zu denen auch als ihre Dramaturgin die Theaterwissenschaftlerin Franziska Fuhlrott (31) gehört, die davor Regieassistentin ebenfalls am TJG war. Erik Brünner (38), der von den Landesbühnen kommt, spricht von „… dem weniger Schönen dort, hier dem Freisein vom Theateralltags-Frust, der Lust in der Gruppenarbeit aber auch dem Halt, welchen die zusammenwachsende Gruppe vermittelt, das Fehlen eines festen Engagements zu bewältigen. Sie gibt auch Kraft und die Möglichkeit zu experimentieren, Erzählweisen auszuloten, in einer Laborsituation ausgediente Mittel konsequent zu hinterfragen und Theater vor allem in seinem kommunikativen Aspekten neu zu definieren - ja, neu erfinden. ‚Studio- und Künstlertheater’ das wollen wir Dramaten sein“.
Doch Lebenskünstler müssen sie, von denen viele Familie haben, vor allem jetzt sein, denn zu ihren Existenzen, für die sich Volker Metzler und die Geschäftsführerin Kathrin Assauer (38) verantwortlich fühlen, tragen die Vorstellungsgelder und die von der Kulturstiftung Sachsen erhaltene Projektförderung noch nicht ausreichend bei. Ab nächstem Jahr sähe das dann schon anders aus, wenn sie mit ihrem Projekt der dafür gebildeten Werkstatt-Dramaten GBR -Künstlertheater reüssieren. Ab Januar startet in ihrem ‚Labor’ das Angebot integrativer Workshops für Schauspiel und Tanz, letztere geleitet von der für ihre Performance-Tanzen bekannten Katja Erfurth (37). Auch für Dramaturgen, Masken- Kostüm- und Bühnenbildner bis hin Regie und Kulturmanagement wird es Angebote geben. Interesse und Anmeldung haben sie schon von Vielen, die vorgesprochen haben; junge Eleven bis zum 50-Jährigen, der so wieder an die Bühne kommen will. Als Weiterbildungsmaßnahme von der Agentur für Arbeit zertifiziert, bieten die Kurse Förderung für arbeitlose Theaterleute - und der Dramaten-Gruppe eine wirtschaftliche Basis aus der Finanzierung durch die Agentur. Nach vier Monaten Kursdauer sollen dann in einer ‚Langen Nacht des Dramaten’ Eigenproduktionen aufgeführt werden - Wunschspielort ist das Festspielhaus Hellerau.
Werben macht Kirre - Internet kann töten.
In Kontrakt mit dem Societaetstheater stehen die Dramaten für diese Spielzeit mit drei Produktionen. Im September starteten sie die Spielzeiteröffnung mit
Neununddreissigneunzig-39.90 nach dem Skandalroman des Franzosen Frédéric Beigbeder - dem auch ein furioser Film folgte - über den Irrsinn der Werbewelt. Mit inzwischen sieben Aufführungen auf der großen Bühne des Theaters in der Dresdner Neustadt, mehrfach ausverkauft, spielen einem Erfolg sie zu.
Myspace - Der Fall Megan Meier. Als Dreipersonenstück, mit assoziativen Bildern über die Faszination und Gefahren der virtuellen Welt in Szene gesetzt, nach der wahren Begebenheit des Selbstmordes einer Dreizehnjährigen nachdem ihre Liebe zu einem imaginierten Boyfriend im Netz zerbrochen war. Ist seit November auf der kleinen Bühne zu sehen, mit seither vier Aufführungen.
Kafka - Der Prozess. Wird von der Truppe erarbeitet als Oper für Schauspieler, Komposition Karsten Gundermann (42), Libretto Lutz Graf (55) Inszenierung Volker Metzler. Die Auftragsarbeit für das Societaetstheater kommt auf der großen Bühne zur Premiere am 19. Februar 2009.