Gottfried Kiesow - Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Nachruf für den Mentor des deutschen Denkmalschutzes
Am 6. November 2011 starb im 80sten Lebensjahr der langjährige Vorsitzende der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Durch seinen unermüdlichen persönlichen Einsatz ist nach lokalen Ansätzen seit der Wende deutschlandübergreifend aus der privaten Stiftung Denkmalschutz eine Bürgerbewegung für Denkmalschutz geworden. Sein Engagement hat die kuturelle Identität der Deutschen in West und Ost sichtbar gemacht.Immer wieder rief Kiesow dazu auf, dem baulichen Erbe auch der 50-iger, 60-iger, 70-iger Jahre, der Nachkriegsmoderne, mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden und es zu bewahren. Nach der Wende sah er in der Rettung des reichen, oftmals zerfallenden Bauerbes in den Neuen Bundesländern die größte Herausforderung für die Stiftung Denkmalschutz. Nicht nur vor dem Verfall, sondern auch vor willkürlichen Abriss gelte es, die in die Denkmalliste aufgenommen Bauwerke zu retten.
Kiesow gab dem Autor nachfolgendes Interview:
Sächsische Zeitung, Dresdener Blättl, 2004
Denkmalförderung im Osten
Das Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz verlieh 2004 den Karl-Friedrich-Schinkel-Ring an Professor Dr. Gottfried Kiesow, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD). Im gleichen Jahr, hatte die Stadt Zittau Kiesow zu ihrem Ehrenbürger gewählt für seine außerordentliche Förderung der Sanierung von Bauten der Stadt, Heffterbau, der Kreuzkirche, Marstalls wie zahlreicher Bürgerhäuser. Schon im Januar des gleichen Jahres hatte Kiesow von der Technischen Universität Dresden die Ehrendoktorwürde erhalten. Diese Auszeichnung würdigt seine wissenschaftliche Leistung auf dem Gebiet der Denkmalpflege und Erfolge bei der Bewahrung und Erneuerung sächsischer und anderer ostdeutscher Städte. So fördert die DSD unter seiner Führung, seit Jahren in Dresden das „Weiterbildungszentrum für Denkmalpflege und Altbauinstandsetzung" in der Villa Salzburg, die Handwerkszentren in Görlitz und Trebsen bei Grimma, sowie die Denkmal-Akademie mit Sitz in Görlitz und Romrod/Hessen.Mit dem Mauerfall 1989 erhielt die Aufgabenstellung, der 1985 erst gegründeten Denkmal-Stiftung, eine neue Dimension. Die erschreckenden Bilder maroder Altstädte und gefährdeter Objekte führte zu einer bis dahin beispiellos privaten Hilfswelle. Seit 1991 konnte die Stiftung über 330 Millionen Euro für über 3.000 Baudenkmale überwiegend in den östlichen Bundesländern zur Verfügung stellen.
Aus Anlass seiner Ehrung in Dresden sprach der Autor für die Sächsische Zeitung mit Gottfried Kiesow:
Was bedeutet Ihnen, Herr Professor Kiesow, die Ehrung in Dresden?
Es freut mich ganz besonders, dass der Ehrendoktor von der Technischen Universität Dresden kommt. Denn ich werte diese als Deutschlands renommierteste Technische Universität. Cornelius Gurlitt hat an ihr gelehrt und als Denkmalhüter und Bewahrer des kulturellen Erbes in Sachsen gewirkt, wie viele andere nach ihm, bis hin zu Hans Nadler. In dieser Tradition hat Dresden auch und gerade während der DDR-Zeit hervorragende Fachkräfte für den Denkmalschutz hervorgebracht. Wir begegnen ihnen heute als Stadtbaurat, Stadtplanungsleiter oder als freischaffende Architekten in der ganzen Bundesrepublik.
Nach der Flut vom August 2002 kam viel Geld von Ihrer Stiftung zur Behebung der Schäden an Denkmalen nach Dresden.
Waren das reguläre Stiftungsmittel?
Es war so, dass wir nach der Flut eine Sammelaktion gestartet haben, die 2,4 Millionen Euro Sonderspenden einbrachte. Daneben lief die reguläre Förderung in voller Höhe weiter. Damit konnten wir bei Flutschäden an Denkmalen helfen und wir tun das weiter, in Sachsen, in Sachsen-Anhalt und übrigens auch in Bayern.
Schwerpunkt unserer Hilfe waren natürlich die ganz besonders betroffenen Städte wie Pirna, wie Grimma. Ich war dort selbst und habe mir die schrecklichen Folgen angesehen. Leider kommt beim Wiederaufbau der Denkmalschutz zu kurz, denn die Förderrichtlinien die es hier gibt, für die Behebung der Flutschäden, beziehen sich nur auf Gebäude die zum Zeitpunkt der Flut noch bewohnt waren. In Grimma stand vieles leer und bekam daher keine Flutförderung. Hier haben wir unsere Mittel eingesetzt für Kirchen, Mühlen, insgesamt eine Riesenzahl von betroffenen Denkmalen. Und, Ironie, darunter auch Objekte, die mit unserer Hilfe schon instand gesetzt worden waren und jetzt ein zweites mal gesichert werden mussten.
Wo setzt die DSD besondere Schwerpunkte?
Es gibt fünf Städte im Bundesgebiet, deren ich mich auch persönlich sehr annehme. Das sind Quedlinburg, Wismar, Stralsund, Görlitz alle im Rang eines Weltkulturerbes. Dazu noch Zittau, dessen abgelegene und besondere Lage zwischen drei Ländern, Polen, Tschechien und der Bundesrepublik, Hilfe erfordert.
Wir haben in Zittau beim Heffterbau, der Kreuzkirche und der Johanneskirche zugeschossen und für manches andere. Jetzt kommt dort das historische Stadtbad aus der Zeit um neunzehnhundert dran und da fördern wir, nicht allein um das Denkmal zu retten, sondern auch um dem Baugewerbe der Stadt Zittau Aufträge zu geben. Unsere Mittel sind so eine Art Konjunkturprogramm zu Gunsten des Baugewerbes, nicht nur in der Oberlausitz sondern auf dem gesamten Gebiet des Freistaates Sachsen.
Woher kommt das Geld, das die DSD in ihre Mündel, die Denkmale, steckt?
Das Stiftungskapital ist relativ gering, wir begannen mit ganzen 518 Tausend Mark. Jetzt mögen es so 16 Millionen Euro sein, hinzukommend 17 Millionen Euro, die wir treuhändisch verwalten. Insofern ist die Steigerung für die kurze Zeit, von 1985 als wir uns gründeten, bis heute schon recht bedeutend. Nächstes Jahr werden wir 20 Jahre alt und das wollen wir auch feiern und zwar in Dresden. Vom Stiftungskapital zu leben hieße, bei den heutigen Zinsen, dass wir mindestens zwei bis zweieinhalb Milliarden Euro haben müssten. Spenden aus breitem Spektrum bürgerschaftlichen Engagements bleiben auch in Zukunft unsere wichtigste Einnahmequelle. Weitere Mittel erhalten wir von der Fernsehlotterie Glückspirale. Sie bringt uns bisher, so etwa 60 zu 40 noch etwas mehr, als die Spenden. Dazu kommen Sondermittel, die wir bekamen aus dem Altparteienvermögen der DDR, 50 Millionen Mark verteilt auf acht Jahre, deren letzte Rate in 2003 Jahr gezahlt worden ist.
Mehr Förderung im Osten als Westen?
Seit der Wende fördern wir überwiegend im Osten und das war in den ersten Jahren über 85 Prozent. Jetzt hat sich das allerdings verschoben, doch wir haben die Summen absolut nicht reduziert für die östlichen Bundesländer, nur der Zuwachs geht in den Westen. Das hat zwei Gründe, der eine, weil es natürlich im Westen Nachholbedarf gibt und auch dort leider die Etats der Länder und auch des Bundes radikal beschnitten sind und die Kommunen schon gar nichts für den Denkmalschutz ausgeben. Der andere Grund ist, dass die westlichen Bundesländer deutlicher verlangen, auch bei ihnen zu fördern. Denn wir verteilen ja nicht allein die privaten Spenden, sondern ganz wesentlich den Überschuss der Glücksspirale. Es gibt zwar einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, dass wir nicht gezwungen sind, nach Aufkommen die Förderung zu verteilen. Aus dieser Solidarität sind Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg nun leider ausgestiegen. Wir sind dort gezwungen, alle Spielerträge die aufkommen, jeweils in diesen Ländern auch zu vergeben. Verheerend wäre es für den Denkmalschutz in den Ostländern, wenn sich das Zuteilungsdenken über alle Bundesländer durchsetzen würde.
Wird die DSD zu einer Besitzstiftung?
Wir sind angetreten nach dem Vorbild des National Trust Großbritanniens, der ja ausschließlich eigene Objekte betreut und keinerlei Zuschüsse verteilt. Denkmalförderung auf unsere Weise dagegen macht English Heritage. Der wiederum hat keine eigene Objekte. Wir wollen beides miteinander verbinden. Als wir anfingen, übernahmen wir den Leuchtturm Roter Sand in der Wesermündung. Er wäre sonst abgerissen worden. Inzwischen besitzen wir eine ganze Reihe von Schlössern und denkmalgeschützten Häusern. Wenn ein Denkmal in Not gerät und anders nicht gerettet werden kann, dann nehmen wir es in unser Eigentum. Wir können aber nicht und wir wollen auch nicht, uns zugunsten von Denkmalerwerb von der Zuschuss-Förderung verabschieden. Die bleibt unsere Hauptaufgabe. Unsere Hilfen für den Denkmalschutz, in 2003 rund 24 Millionen Euro, sind inzwischen doppelt so hoch wie die des Bundes und es gibt auch kein Bundesland das mehr bereit stellt als wir.
Was nehmen Sie aus Dresden mit?
Als ich das erste mal hier war, etwa 1950, da war das, was ich vorfand keine Stadt. Der Schutt war weggeräumt und es waren nur noch die früheren Straßenzüge erkennbar auf einer großen, sonst leeren Fläche. Von Besuch zu Besuch habe ich dann erlebt, dass diese Stadt wie ein Phönix aus der Asche wieder aufsteigt. Jetzt war das eindruckvollste Erlebnis für mich, die nahezu vollendete Frauenkirche zu sehen. Was jetzt entstehen muss, ist die Bürgerstadt um die Frauenkirche herum, der Neumarkt. Leider beobachte ich mit Entsetzen, dass Dresden dort wieder Vergangenheit verliert, denn die erhaltenswerten historischen Keller werden weggebaggert. Ich habe auch bei einem der Investoren dagegen Stellung genommen und angeregt, die Gewölbe in sein Objekt zu integrieren. Und was dieser Innenstadt auch fehlt, ist bürgerschaftliches Leben, es sind da zu viele öffentliche Bauten allein. Um den Altmarkt wird zwar gewohnt, aber auch um die Frauenkirche herum, müssen Bürger von Dresden wieder wohnen, damit Leben aufkommt, das merklich dort noch fehlt. In der Dresdner Neustadt pulsiert es – solches wünsche ich auch der Altstadt.
(Bäu 9.3.2004)
Professor Dr. phil., Dr. Ing. e.h. Gottfried Kiesow, geboren 7. August 1931 in Altgenin an der Warthe,
1966 bis 1996 Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege in Hessen,
1985 Mitbegründer, seit 1994 Vorsitzender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), Bonn,
Deutscher Nationalpreis 2011
Projektförderung in Dresden: für die Frauenkirche Altar und Archäologische Untersuchungen 1,7 Millionen Euro, größte Einzelförderung sonst Cholerabrunnen 250 Tausend Euro
Gesamtfördersumme bisher (2004) für Sachsen 47 Millionen Euro, in 2003 3,7 Millionen Euro
Für Flutschadenbeseitigung an Denkmalen wurden bisher gegeben in Sachsen 960, in Sachsen-Anhalt 910, in Bayern 35 Tausend Euro