Zwischen Vision und Realität - Raoul Schmidt-Lamontain Baubürgermeister Dresden
Nachgefragt
Erst zwei Monate ist Raoul Schmidt-Lamontain (38, Grüne) als Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau und Verkehr, im Amt. Ins „heiße“ Wasser der Dresdner Stadtentwicklung geworfen liegen bedeutende Aufgaben der Stadtplanung auf seinem Tisch die er mit Richtlinienkompetenz voranzubringen hat; von „ewig“ anstehenden bis aktuell aufkommenden.veröffentlicht Sächsische Immobilienzeitung 5/2015, Seite 3
Interview mit Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain
Dresdens Einwohnerzahl steigt, nach jüngster Fortschreibung mit 547 000 auf einen Höchststand seit 70 Jahren. Prognostiziert sind weitere 30 000 in den nächsten fünfzehn Jahren. Wie reagiert Dresden darauf?Ausreichend Wohnraum zu schaffen ist eine Herausforderung, die sich an die öffentliche Hand (Bund, Land, Kommune) wie an die privaten Wohnungsmarktakteure richtet und die nur gemeinsam bewältigt werden kann. Mein Geschäftsbereich hat dem Stadtrat eine Vorlage zur Wohnentwicklung in Dresden vorgelegt. Auf der Basis der neuen Bevölkerungsprognose bis 2030 schreiben wir die Wohnraumbedarfe jetzt fort. Auch der Flüchtlingszustrom hat Fakten geschaffen und neue Aufgaben gestellt. Den sozialen Wohnungsbau müssen wir definitiv vorantreiben, und zwar durch private Investoren wie durch öffentliches Engagement.
Als Richtgröße für die kommenden drei Jahre geht die Landeshauptstadt Dresden von einem Bedarf an 3 000 neuen Wohneinheiten pro Jahr aus. 2 400 können von privaten Unternehmen errichtet werden. Etwa 200 neue könnten von den in Dresden ansässigen Genossenschaften hinzukommen, und 300 Wohnungen könnte die Stadt durch die Stesad GmbH errichten lassen.
Dresden will mit einer neuen WOBA Handlungsfelder auf dem Wohnsektor wieder zurück gewinnen.
Ich verstehe den Beschluss des Stadtrats zur Gründung einer kommunalen Wohnungsgesellschaft als wichtige Richtungsentscheidung. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Zahl der belegungsgebundenen Wohnungen sinkt und die Belegungsrechte für die Stadt in absehbarerer Zeit ganz auslaufen. Jetzt gilt es Fragen nach der geeigneten Gesellschaftsform und den Gesellschaftern, den Zielmieten, dem notwendigen Kapital- und Subventionsbedarf zu beantworten. Der Geschäftsbereich Finanzen und Liegenschaften nimmt hier die Federführung wahr. Das Stadtplanungsamt ist gefordert bei der planungsrechtlichen Beurteilung möglicher Baustandorte.
Von vielen abgelehnt, auch fachlicherseits, wird das großdimensionierte Projekt Globus. Ist das für Sie eine Option?
Für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 6007, Dresden-Neustadt, Globus SB-Markt mit Einkaufszentrum am Alten Leipziger Bahnhof hat der Stadtrat den Aufstellungsbeschluss am 12. Juli 2012 gefasst. Dieser Beschluss beschreibt das Ziel eines Marktes und gilt noch. Es ist also eine Entscheidung des Stadtrates, ob er dem Globus SB-Markt zustimmt oder ob er andere Planungsziele verfolgen möchte.
Ich begrüße jeden Investor in der Stadt Dresden, möchte und muss jedoch die geplante Einzelhandelsansiedlung mit der Quadratmeterzahl in den Sortimenten und die Einfügung des Projekts den in stadtplanerischen Rahmen kritisch hinterfragen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des formulierten Ziels einer CO2-Reduzierung mit Verkehrsvermeidung in der Stadt wären kleinere Vollversorger in den Stadtteilen und Zentren wesentlich vorteilhafter. Globus ist herzlich willkommen, sich bei solchen Projekten zu beteiligen.
Das Stadtplanungsamt erfüllte jetzt den Auftrag des Stadtrats und schrieb den Masterplan Leipziger Vorstadt/ Neustädter Hafen fort. Die aktualisierten Erkenntnisse aus den Themenfeldern Schallschutz, Hochwasserschutz, Denkmalschutz, Artenschutz, Ökologie, Kultur, Verkehr und weitere private Belange wie Eigentumsverhältnisse sind eingeflossen. Die Plandarstellungen wurden in zwei Varianten erarbeitet. Die stadträumlichen Auswirkungen verschiedener Nutzungen werden separat voneinander betrachtet. Sie liegen den Gremien zur Entscheidung vor.
Eine unendliche Geschichte mit zig Planungsvarianten ist der Ausbau der Königsbrücker Straße. Welche Lösung favorisieren Sie beziehungsweise halten Sie kurzfristig für umsetzbar?
Am 21. Oktober 2015 traf sich unter meiner Leitung erstmals eine vom Stadtrat eingesetzte Lenkungsgruppe. Sie besteht aus Vertretern aller Fraktionen des Ausschusses für Stadtentwicklung und Bau. Die DVB AG arbeitet ebenfalls mit. In dieser Sitzung haben die Verkehrsplaner der Stadt den aktuellen Planungsstand der allerjüngsten Varianten 8.4 und 8.5 vorgestellt. Die Stadträte nahmen diesen Planungsstand zur Kenntnis und baten die Verwaltung, den Verkehrsfluss an der Kreuzung Königsbrücker Straße/Bischofsweg noch einmal näher zu untersuchen. Und zwar soll die Variante 8.5 in einer Variante 8.6 dahingehend weiterentwickelt werden, dass in einer Kombination mit Elementen der Variante 7 der Verkehrsfluss beschleunigt wird. Im Dezember wurde die nächste Sitzung der Lenkungsgruppe vereinbart, um weiter zu beraten. Danach erst kann ich die Planung und Zeitskalen der Öffentlichkeit vorstellen.
Herr Bürgermeister, wir danken Ihnen für die zu unserem „Nachgefragt“ gegeben Informationen. Das Gespräch führte Peter Bäumler (5.12.2015)