Villa Schminke
Scharouns Fabrikanten-Haus
Wer sich umsieht auf einer "Grandtour Klassische Moderne" in Sachsen landet unabdingbar im Löbau der Oberlausitz. Der Inhaber einer dortigen Teigwarenfabrik hatte für das Wohnhaus seiner Familie einen Standort direkt neben der Fabrik gewählt. Als Entwerfer gewann er einen der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts: Hans Scharoun, der mit der 1933 vollendeten Villa ein Meisterwerk der Architektur erschuf.SIZ 2/2019 veröffentlicht Sächsische Immobilienzeitung 3/2019, Seite 8
Das Haus das ihm das Liebste war
Dem Fabrikantenpaar im ostsächsischen Löbau, Fritz und Charlotte Schminke, waren anlässlich eines Besuchs der Weißenhofsiedlung in Stuttgart wie der Werkbundausstellung 1929 in Breslau maritim angehauchte Musterbauten des Architekten Hans Scharoun (1893-1972) aufgefallen. Sie lernten den Professor der Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe kennen und gewannen ihn 1929 für den Entwurf ihres Wohnhauses. „Ein modernes Haus für eine sechsköpfige Familie, eine Hilfskraft und gelegentlich zwei Gäste“, südbesonnte Wohnräume, freie Blicke in den Garten, leichte Bewirtschaftung, Wohn- und Badraum für die Hilfskraft, waren die Vorgaben an den jungen Architekten. Nach langer Vorplanung in steter Auseinandersetzung mit den Bauherren wurde dann 1933 in kurzer Bauzeit das Haus realisiert.Stahl, Beton, viel Glas
Ein langgestreckter Bau mit zurückhaltend strenger Fassade trennt wie ein Riegel das Areal der Fabrik vom Privatbereich, in dem sich das Haus mit seinen Rundungen, hohen Fenstern, Terrassen und Außentreppen zum Garten hin heiter öffnet. Betreten wird das Haus von einem repräsentativen Zugang aus, der auch Vorfahrt und Ausstieg trockenen Fußes unter einem überlangen Vordach bietet. Spezifisch für Scharoun sind die mehrreihigen Rundleuchten im Vordach, die abends sanft strahlen; im Hausinneren ähnlich die Lichtdecke des Wintergartens. Die Stahlskelett-Bauweise mit Bimsbeton-Füllung – auch Funktionselemente wie Fenster und Türstöcke sind aus Stahl - ermöglichte eine freie Innengestaltung ohne tragende Zwischenwände. Von der zentralen Halle erschließen sich verschränkt die Wohnbereiche: Wohnen, Wirtschaften, Schlafen. Das langestreckte Wohnzimmer im Erdgeschoss mündet in einen Wintergarten mit einzigartig raumhoch schräggestelltem Rasterfenster, darunter ein Pflanzbecken. An der zur Fabrik ausgerichteten Fensterfront fängt der Raum die Südsonne mit hohen Fenstern ein; zum Garten Richtung Norden öffnet er sich mit raumhohen Fenstern. Mit der Durchsichtigkeit des Hauses verlängert sich das Wohnen optisch bis in den Garten heraus. Tritt man auf die auskragend schwingende Terrasse empfindet man auf einem Schiffsdeck zu sein. Schiffsähnliche Reelings rundum, Wasser eines Teichs unten unterstreichen diesen Empfindung. Der Bezug auf Formensprache der Schifffahrt – auch Bullaugen, selbst kleine in Kinderaugenhöhe - ist offensichtlich und wiederkehrendes Motiv in den Bauwerken des in Bremerhaven aufgewachsenen Architekten, der einst Schiffbauer werden wollte.
So sind die Arbeiten Hans Scharouns mit fließenden Linien, Rundungen, Öffnen wie aufgehende Blüten, zugehörend der Richtung „Organische Architektur“. Am langgesteckten, rechtwinklig-kubischen Hauptkörper des Schminkehauses sind von ihm weiterhin die Regeln des ab 1920 aufgekommenen Bauhausstils umgesetzt. Das Obergeschoß mit Rückzugs-, Schlaf- und Hygieneräumen wird über eine stählerne Treppe mit Rutschgeländer für die Kinder erreicht. Stahltreppen führen auch von der oberen Terrasse aufs große „Promenadendeck“ des Wohnbereiches und weiter von dort hinunter in den Garten. Diesen hatten die Bauherren und der Architekt bereits vorbereitet und teilbepflanzt vorgefunden, denn Vater Schminke hatte schon 1916 nach einem Entwurf der Dresdner Architekten Lossow & Kühne bauen wollen. Bauverbote des Weltkriegs verhinderten, dass diese typische „Fabrikanten-Villa“ im vorherrschenden eklektizistischen Stil der Vormoderne entstanf. Mitgewirkt haben bei der Gestaltung des Wohn- und Ziergartens Herta Hammerbacher und ihr Ehemann Hermann Matern, die beide mit dem Gärtner und Staudenzüchter Karl Förster, Potsdam zusammenarbeiteten, dessen Einfluss am Hausgarten durchaus zu bemerken ist. Zusätzlich erwarben die Schminkes ein 11.000 Quadratmeter großes, anliegendes Landstück für einen Nutzgarten, dessen Streuobstwiese bis heute so belassen ist. Das Schminke -Haus mit einer Nutzfläche von 480 Quadratmetern steht auf der Wohngartenfläche von 3.500 Quadratmetern.
Wechselnde Nutzung
Die Schminkes selbst bewohnten das Haus nur ruhige 12 Jahre. 1952 enteignete Ostberlin die 1950/51 in den Westen gezogene Familie von Firma und Haus; Fritz Schminke war zum Kriegsverbrecher erklärt worden wegen seiner Teigwarenfabrikation für die Wehrmacht. Das Privathaus durchlief die übliche „Karriere“ von Herrenhäusern nach 1945 im Osten – russische Militärkommandantur – Erholungsheim für Kinder – Klubhaus der FDJ – Pionierhaus - Freizeitzentrum. 1993 ins Eigentum der Stadt Löbau übergegangen, übergab diese die Trägerschaft des Hauses einem Verein. 2007 erfolgte die Gründung der „Stiftung Haus Schminke“ gemeinsam mit der Baden-Württembergischen Hess(Leuchten) AG. Nach deren Ausscheiden wegen Insolvenz ist Löbau alleiniger Träger der Stiftung.
Erhalt als lebendiges Museum
Bei der ab 1999 begonnenen behutsamen Instandsetzung von Haus und Garten konnten die prägenden Originalbauteile des Skelettbaus vollständig erhalten und restauriert werden, in großen Teilen auch der Quarz-Außenputz. Desgleichen sind auch wandfestes Interieur und Einbauten, Schränke und die „Frankfurter Küche“ weitgehend erhalten und sorgsam restauriert. Aufgewandt wurden dafür ca. 1,6 Millionen Euro aus Spenden, Mitteln des Landes und der Stiftung Denkmalschutz.
Die Stiftung betreibt heute das Haus Schminke als offenes Museum. Unterstützt mit einem kleinen Zuschuß der Stadt der Stadt und Spenden werden die Betriebskosten zum großen Teil aus Eintrittsgeldern und Vermietung erwirtschaftet. In diesem Jahr werden mehr als 10.000 Besucher erwartet. Auch die Übernachtungen in dieser Architektur-Ikone werden immer beliebter. Als Ganzes kann "Haus Schminke" für Veranstaltungen gemietet werden – Deutsche Welle und Mitteldeutscher Rundfunk senden aus Löbau das „Privatkonzert“. Für Hochzeiter wie auch einzelne Besucher, die sich zur Übernachtung einmieten können, stehen bis acht Betten zur Verfügung.
Für die Zukunft bleibt, das einstige Raumkunstwerk im Ganzen durch Rekonstruktion ab 1945 verlorenem Mobiliars und auch seine vielgerühmte fröhliche Farbigkeit mit nachgefertigten, farbigen Tapeten wieder zugewinnen. (16.4.2019)
Das Haus ist für Besucher geöffnet von Donnerstag bis Sonntag, von 12 bis 17 Uhr. Information über Führungen auch außerhalb Öffnungszeiten und zur Übernachtung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, +49 3585 862133
Die Schminkes selbst bewohnten das Haus nur ruhige 12 Jahre. 1952 enteignete Ostberlin die 1950/51 in den Westen gezogene Familie von Firma und Haus; Fritz Schminke war zum Kriegsverbrecher erklärt worden wegen seiner Teigwarenfabrikation für die Wehrmacht. Das Privathaus durchlief die übliche „Karriere“ von Herrenhäusern nach 1945 im Osten – russische Militärkommandantur – Erholungsheim für Kinder – Klubhaus der FDJ – Pionierhaus - Freizeitzentrum. 1993 ins Eigentum der Stadt Löbau übergegangen, übergab diese die Trägerschaft des Hauses einem Verein. 2007 erfolgte die Gründung der „Stiftung Haus Schminke“ gemeinsam mit der Baden-Württembergischen Hess(Leuchten) AG. Nach deren Ausscheiden wegen Insolvenz ist Löbau alleiniger Träger der Stiftung.
Erhalt als lebendiges Museum
Bei der ab 1999 begonnenen behutsamen Instandsetzung von Haus und Garten konnten die prägenden Originalbauteile des Skelettbaus vollständig erhalten und restauriert werden, in großen Teilen auch der Quarz-Außenputz. Desgleichen sind auch wandfestes Interieur und Einbauten, Schränke und die „Frankfurter Küche“ weitgehend erhalten und sorgsam restauriert. Aufgewandt wurden dafür ca. 1,6 Millionen Euro aus Spenden, Mitteln des Landes und der Stiftung Denkmalschutz.
Die Stiftung betreibt heute das Haus Schminke als offenes Museum. Unterstützt mit einem kleinen Zuschuß der Stadt der Stadt und Spenden werden die Betriebskosten zum großen Teil aus Eintrittsgeldern und Vermietung erwirtschaftet. In diesem Jahr werden mehr als 10.000 Besucher erwartet. Auch die Übernachtungen in dieser Architektur-Ikone werden immer beliebter. Als Ganzes kann "Haus Schminke" für Veranstaltungen gemietet werden – Deutsche Welle und Mitteldeutscher Rundfunk senden aus Löbau das „Privatkonzert“. Für Hochzeiter wie auch einzelne Besucher, die sich zur Übernachtung einmieten können, stehen bis acht Betten zur Verfügung.
Für die Zukunft bleibt, das einstige Raumkunstwerk im Ganzen durch Rekonstruktion ab 1945 verlorenem Mobiliars und auch seine vielgerühmte fröhliche Farbigkeit mit nachgefertigten, farbigen Tapeten wieder zugewinnen. (16.4.2019)
Das Haus ist für Besucher geöffnet von Donnerstag bis Sonntag, von 12 bis 17 Uhr. Information über Führungen auch außerhalb Öffnungszeiten und zur Übernachtung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, +49 3585 862133
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