Katharina von Bora - Kultfrau der Reformation

»eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation« - verlängert

Rochlitz10Der Kult um Katharina von Bora fand in den vergangenen Wochen wieder seinen Höhepunkt unter anderem beim Katharina-Tag in Torgau (Sachsen). Beinahe Mantra-artig wird auf Katharina als Symbol der starken Frau in der Reformationszeit hingewiesen. Zu Recht? Die Kuratoren der Ausstellung » STARKE FRAUEN« auf Schloss Rochlitz Dr. Simona Schellenberger und Dr. Dirk Welich wagen in einem Gespräch die Relativierung.

Gespräch Uli Kretzschmar, Schlösserverwaltung Sachsen mit Schellenberger und Welich

Kretzschmar: Wofür steht Katharina von Bora heute?

Schellenberger/Welich: Sie steht für eine Frau an der Seite ihres Mannes. Eine Frau, die sich im Dienst einer Sache versteht, aber eben einer Männersache. Katharina von Bora steht im Kern für Unterordnung, einem auch zur heutigen Zeit gesellschaftlich noch tief verwurzeltem Bild. Nur zur Verdeutlichung, noch immer hält die Gesellschaft zum Beispiel typische Frauenberufe klein, in dem sie gerade diese deutlich schlechter entlohnt. Die Gesellschaft sieht die Frau in erster Linie immer noch als Mutter und Hausfrau; denken sie nur an die Debatten um Herdprämie und Frauenquote. Diese Reduzierung in der Rollenzuweisung ist ein Eingriff in die Selbstbestimmung von Frauen. Das mag altbekannt und abgedroschen klingen. Es ist aber aktueller denn je, weil man/frau die dahin gehenden Errungenschaften unserer modernen Gesellschaft im Verhältnis zur Geschichte sehen muss und da scheint es relativ eher einen Rückschritt zu geben. Natürlich hat sich die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten verändert und viel erreicht, aber eigentlich sollte man/frau darüber nicht mehr reden müssen. Wenn heute Katharina von Bora, von wem auch immer, beispielgebend angeführt wird, vorbildlich sozusagen, dann immer als Konstrukt seiner Interessen. Wofür sie steht, ist letztlich wandelbar, weil interpretierbar.

Was bedeutet in diesem Falle „Konstrukt“?

Schellenberger/Welich: Zuerst einmal muss man sagen, dass das uns zur Verfügung stehende biografische Quellenmaterial zu Katharina von Bora sehr begrenzt ist und nur wenige sichere Aussagen erlaubt. Dagegen hat sich ein vielfältiges Material im Zuge der Rezeption ihrer Person angesammelt, nur ist eben dieses nicht geeignet, eine biografische Wirklichkeit zu rekonstruieren. Im Umkehrschluss heißt dies, der Großteil dessen, was über die Jahrhunderte zu Katharina von Bora erarbeitet worden ist, ist eine Konstruktion. Und zwar eine Konstruktion aus der Perspektive der Verfasser und deren zeitgeschichtliche Denkmuster. Spannend ist nun daran, dass diese Konstruktionen uns zwar nicht mehr über Katharina von Bora verraten, aber dafür über die jeweilige Gesellschaft, in der sie entstanden sind.  

Die Frage, die die Ausstellung bei allen vorgestellten Frauen stellt, nämlich die nach der Art und Weise des Überlieferten, nach dem Bild, das die Geschichtsschreiber von ihnen vermitteln, das sich in uns formt, führte bei Katharina von Bora zum „Katharina-Modell“. Es verweist auf die wechselnden und vom jeweiligen zeittypischen Frauenbild abhängigen Werte, die an sie geknüpft werden. Katharina von Bora als Vehikel vorbildlichen weiblichen Daseins….

War Katharina von Bora – nachdem was wir von ihr wissen – eine STARKE FRAU im Sinne
der Ausstellung auf Schloss Rochlitz?

Schellenberger/Welich: Was man sagen kann, ist, dass Katharina von Bora in einer Zeit, in der das Leben ohnehin ungemein hart war und in der sich zudem verlässliche Bedingungen gesellschaftlichen Zusammenlebens oder einfach auch probate Lebensmodelle auflösten, es vermocht hat, sich zu behaupten, anzupassen und zu überleben. Insofern war sie eine starke Frau, auch wenn sie ihre Bekanntheit als historische Persönlichkeit Luther verdankt.

Welche Rolle spielte sie denn nun in der Zeit der Reformation und wie groß war ihre Bedeutung im Vergleich zu beispilesweise Elisabeth von Rochlitz oder einigen anderen Damen, die wir in Ihrer Ausstellung kennenlernen?

Schellenberger/Welich: Sie war im wahrsten Wortsinn die kongeniale Partnerin von Luther, als eine Geistliche, die einen Geistlichen heiratet. Zusammen verkörpern sie die lutherische Lehre. Sie sind sozusagen das Vorzeigepaar. Entsprechend häufig und in verschiedenen Medien wurde das Paar auch „vermarktet“. Damit war sie eine Botschafterin der Reformation und natürlich hat sie die Reformation mittelbar befördert, in dem sie ihren Mann, wie frau heute sagen würde, den Rücken frei gehalten hat, damit er ungehindert arbeiten und, auch im heutigen Sinne, Karriere machen konnte. Auch dieses Bild ist, wie schon oben erwähnt, ein stigmatisierendes, denn über die Aussagen von Zeitzeugen wissen wir ja zum Beispiel auch, dass sie eine fähige Ökonomia gewesen sein muss , die die Finanzen des Hauses genau im Blick hatte. Sie erfüllte damit eine tragende Funktion in der Ehe. Dass die heutige Gesellschaft diese Aufgabe wertet und je nach Sichtweise den Hausfrauenstand verteufelt oder idealisiert, ist eine andere Frage. Ungeachtet dessen liegt ja aber der Fokus in der Ausstellung auf dem Handeln aus Überzeugung. Wir stellen Frauen vor, die aktiv geworden sind, gleich ob für oder gegen die Reformation, und zwar auf einem Gebiet, das ihnen die Gesellschaft bis dahin nicht zugesprochen hatte. So gesehen erfüllt sie natürlich als Frau Luthers die neue Frauenrolle, die die Reformation u. a. den Nonnen zuteilt, nach dem diese durch die Auflösung der Klöster ihre Existenzgrundlage verloren hatten.

Was meinen Sie, warum hat sich aber nun gerade der Name Katharina von Bora als wichtige Frauenpersönlichkeit aus der Reformationszeit so hartnäckig erhalten?

Schellenberger/Welich: Weil diese weibliche „Heldin“ immer wieder Geschichtsbilder evoziert und damit Geschichte gemacht hat, und zwar in einer Weise, die mit ihr als Person nicht viel, bis gar nichts zu tun hat. Die historische Person Katharina von Bora besitzt ein hohes Interpretationspotenzial und das macht sie attraktiv, egal ob als Vor- oder Feindbild.

Geschichtsschreibung scheint ja tatsächlich stark abhängig von den aktuellen Bedingungen zu sein. Können wir unserem kollektiven Gedächtnis noch trauen?

Schellenberger/Welich: Diesem Gedächtnis konnte man noch nie trauen. Die kollektive Erinnerung ist ja per se der „Wirklichkeit“ nicht näher als die individuelle. Aber andererseits haben wir auch keine andere Chance, als unserer eigenen Geschichtsschreibung zu glauben, wir haben keine andere. Was wir aber können, ist, zu reflektieren und sich der subjektiven Sicht bewusst sein und, man kann die Mittel der Wissenschaft so streng als möglich anwenden, um dem subjektiv konstruierten Zerrbild wenig Raum zu lassen.

Ich danke für die Überlassung der Aufzeichnung des Gesprächs zur Veröffentlichung, Peter Bäumler

Die aktuelle Sonderausstellung „eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation“
auf Schloss Rochlitz veranschaulicht das Leben und Wirken der Reformationsfürstin Elisabeth von
Rochlitz (1502-1557) und anderer mutiger Frauen aus dieser Zeit. Die Ausstellung möchte dabei das gängige Bild
der Reformation als einem vor allem männlichen Ereignis aufbrechen und Fehlstellen in der
deutschen Erinnerungskultur korrigieren. Neben Katharina von Bora (1499-1552) und der Reformationsfürstin
Elisabeth von Calenberg-Göttingen werden auch völlig unbekannte Streiterinnen der Reformation wie
Ursula Weyda, Wibrandis Rosenblatt oder Katharina Zell vorgestellt. Mit über dreihundert
herausragenden Exponaten von nationalen und internationalen Leihgebern, verteilt auf circa
eintausend Quadratmetern, dokumentiert die Ausstellung erstmals in dieser Form weibliche
Lebenswege und Lebenswelten des 16. Jahrhunderts. Mit kapitelweiser Darstellung ist die Präsentaion museal-didaktisch ausgezeichnet gestaltet. Etwa 35 000 Besucher haben seit der Eröffnung im Mai 2014 durch Margot Käßmann, Botschafterin für das Reformationsjahr 2017, die Ausstellung und das Schloss Rochlitz aufgesucht.



„Starke Frauen – 500 Jahre Reformation“ verlängert bis 2. November 2014, 10 bis 18 Uhr, Schloss Rochlitz, Sörnitzer Weg 1, 09306 Rochlitz
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