Zehn Jahre Städtische Galerie Dresden
Kunstsammlung der Stadt Dresden
Vor zehn Jahren präsentierte die Städtische Galerie Dresden erstmals in ihren neuen Räumen auf der ersten Etage des Landhauses eine Auswahl Ihrer Bestände der reichen Kunstproduktion in Dresden und der Region vom 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart.Den Besuchern der Eröffnungsausstellung folgten seitdem bis heute rund 280.000 Kunstfreunde aus Dresden und aller Welt. Nach stolz eigenem und der Laudatoren Bekunden in einer Feierstunde zum Jubiläum - jüngst im Oktober 2015 - ist es der „Städtischen Galerie Dresden gelungen, sich in den vergangenen zehn Jahren als Ausstellungsort und als Leihgeber national und international zu etablieren“.
Otto Dix 'Sonnenaufgang' als "Leihgabe aus privater Hand" in der Eröffnungsausstellung 2005 prominent gehängt, konnte inzwischen erworben werden. Zu dieser glücklichen Rückkehr verhalf das Engagement von vier Stiftungen zu den 900 Tausend Euro Ankaufkosten bei Villa Grisebach Berlin.
Reich an Kunst - arm an Ausstellungsfläche
Die Jubiläumsausstellung 2015 »Das mus man gesehen haben - Erwerbungen und Schenkungen« zeigt einzig und allein Neuerwerbungen der letzten 10 Jahre. Die 153 ausgewählten Werke von 113 Künstlern sind wie Gisbert Porstmann, der 2002 berufene Direktor der Galerie betonte, bloße knapp vier Prozent des Zugangs an Bildern, Skulpturen und Grafik der erworben werden konnte, oder als Schenkung oder Nachlass kam. Hochgerechnet weist das auf einen reichen aber unsichtbaren Schatz weil in den Depots lagernd, der in die öffentliche Präsentation gehoben werden muss. Es zeigt aber auch einen Mangel auf, den an Ausstellungsfläche, die mit 800 Quadratmetern für die Städtischen Galerie zu klein ist. (14.10.2015 Bäu)in früherer Veröffentlichung:
• Das dunkelste Kapitel
• Sammeln der Stadt
• Expressionismus in Dresden
• Die neue Stadtgalerie
• Geschichte des Landhauses
• Interview
veröffentlicht (gekürzt) TOP Magazin, Herbst 2005, Seite 40-41
veröffentlicht in Dresdner Blättl, 2005
GALERIE IN DER BELETAGE Stadtmuseum im edel renovierten Landhaus
(15.8.2005 Bäu) Ein 'Sonnenaufgang' düster über grauem Schnee, im Jahr 1913 von dem jungen Otto Dix expressiv gemalt, geriet 1933 in eine düstere Ausstellung im lichten Hof des Neuen Rathauses. Als "entartete Kunst - dekadent, nichtarisch, undeutsch" wurde in ihr ein großer Teil des städtischen Kunstbestandes an den Pranger gestellt. Zu dieser ersten, der Femeschauen der Nationalsozialisten, strömten Besucher in Massen. Ihren Gipfel fand die ideologische Diffamierung avantgarder Kunst 1937 in der großen Münchner Hassausstellung gegen 'Entartete Kunst', in die auch die Dresdner Auswahl verunglimpfter Kunstwerke integriert war. Bei der folgenden, beispiellosen Beschlagnahme von Kunstwerken in öffentlichen Sammlungen des ganzen Landes, gingen aus städtischen Kunstbesitz Dresdens 498 Einzelwerke verloren, wie auch das eingangs genannte. Die Meisten sind verschollen bis heute. Doch der eliminierte 'Sonnenaufgang' von Dix, ist nach wechselvoller Besitzgeschichte jetzt 2005 zurückgekehrt - als Leihgabe aus privater Hand. Das Bild ziert die Eröffnungschau in der „Städtischen Galerie Dresden“. Mit seiner Karteikarte aus damaliger Zeit erzählt es eine wechselvolle Bildgeschichte.Im Jahr der ersten Feme-Aktionen der Nazis gegen Kunst, brannten - auch erstmals in Dresden - Bücher verfemter Literatur auf dem Wettiner Platz am 7. März 1933. Dresden spielte im dunkelsten Kapitel deutscher Kulturbarbarei eine beschämende Vorreiterrolle.
Das Sammeln der Stadt
Die Gründungsgeschichte der eigenständigen Galerie des städtischen Kunstbesitzes ist eine lange. Ein halbes Jahrhundert, seit den 50iger Jahren, warben Enthusiasten der Kunst für eine ständige städtische Einrichtung der Kunstpflege. An deren Spitze war es Fritz Löffler in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts und in den 80er und 90ern waren insbesondere Hans-Joachim Neidhardt und mit ihm Hans-Peter Lühr, die dafür trommelten. Zur Jahrtausendwende war es dann soweit, mit dem einstimmigen Beschluss des Dresdner Stadtrates, eine 'Städtische Galerie' zu gründen. Das Sammeln der Stadt wurde dazu konzeptionell differenziert zwischen Stadtgeschichtlichem, das im „Stadtmuseum“ verbleibt und Kunst. Die neue Galerie übernahm den gesamten Kunstbestand des Stadtmuseums als Basis ihrer musealen Arbeit. Das waren etwa 1.700 Gemälde, 800 bildhauerische Arbeiten und 20.000 grafische Werke, Zeichnungen, Aquarelle, Drucke.
Städtisches Sammeln begann schon früh, systematisch mit der Gründung eines Vereins zur „Geschichte und Topografie Dresdens und Umgebung“ ab dem Jahr 1869. Zeugnisse bürgerlicher Stadtkultur und Gemälde, vorrangig mit stadthistorischem Bezug, wurden zusammengetragen und bildeten den Grundstock der späteren städtischen Sammlungen. Sie waren untergebracht und gezeigt an vielen Orten, bis sie von 1910 an, zum 'Städtischen Museum' zusammengefasst, im neuen Rathaus rings um dessen Lichthof Ausstellung fanden. Dort blieben sie bis zur kriegsbedingten Auslagerung ab 1943 in Güter und Schlösser Sachsens, vielerorts bis weit ins Erzgebirge.
Expressionismus in Dresden
Ein besonderes Kapitel der Dresdner Sammlungsgeschichte begann mit der Berufung des Kunsthistorikers Paul Ferdinand Schmidt zum Direktor der städtischen Sammlungen im Jahr 1919. Er konzipierte für die Kunstsammlung die Orientierung an ästhetischen und künstlerischen Werturteilen und schied sie von der Sammlung stadt- und zeitgeschichtlicher Zeugnisse. Er erkannte, und ließ auch in seine Ankaufspolitik einfließen, den bahnbrechenden Anteil Dresdens jener Jahre an fortschrittlicher Entwicklung der Kunst. So erwarb er Arbeiten wie der jungen Brücke-Künstler, von Otto Dix, Oskar Kokoschka, Kurt Schwitters, George Grosz. Nach seiner Entlassung, da er den konservativ orientierten Kräften der Stadtverordnetenversammlung zu progressiv war – nicht undenkbar auch heute – konnte die Sammlung aber in der von ihm konzipierten Weise fortgeführt werden. Weitere Erwerbungen ergänzten sie mit Werken von Lionel Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Klee und anderen. Diese bedeutende Sammlung des deutschen Expressionismus, die heute unschätzbaren Wert hätte, erfuhr ab 1933 die geschilderte ideologische Kupierung. Kriegs-, Auslagerungs- und Nachkriegsverluste dezimierten ab 1943 den früheren Bestand noch weiter, bis zum Wiederbeginn musealer Sammlungstätigkeit von 1951 an.
Neue Stadtgalerie
Der Stadtratsbeschluss hat die Gründung zum Juni 2002 einer erstmals eigenständigen „Städtischen Galerie Dresden“ ermöglicht. Ihre Auftaktausstellung, eröffnet am 3. Juli 2005, gibt Einblick in das Sammeln von über „200 Jahre Kunst in Dresden“. Den Besucher begrüßt ein glirrendleuchten und klappernder Lichtröhren-Lüster (Sebastian Hempel 2004) hoch in einer eindruckvoll spätbarocken Treppenhalle von 1775. Zweiläufig nach oben in die Ausstellungsetage geführt, sind zu Beginn der beiden Rundgänge große Hochformate (Hans Körning 1959 und Oskar Zwintscher 1898) ausgesprochene Augenfänger. Eine solche Begrüßung spannt den zeitlichen Rahmen auf der etwa 400 Gemälde, Skulpturen und Papierarbeiten von etwa 150 Künstlern. Gehängt und gestellt sind sie in licht ausgeleuchteten Räumen, nahezu eines angenehmen Kabinettambiente. Die beiden Ausstellungsflächen belegen je etwa 400 Quadratmetern auf dem Ost- und Westflügel der ersten, der Beletage, im vormaligen Landhaus der Stände Dresdens.
Gebäude an der Landhausstraße
Auf den Ruinen eines früheren Fläming’schen Palais war das ansehnliche „Land und Steuerhaus“, nach Plänen von Vitzthum von Eckstädt und des Hofbaumeisters Friedrich August Krubsacius, 1775 errichtet worden. Bis zum Umzug des sächsischen Landtages, 1907 in das neue Ständehaus am Schlossplatz, diente es für Sitzungen und Verwaltung der drei Körperschaften der Landstände sowie mit Kassenräumen und Archiven der Steuerverwaltung – schon damals mächtige Bürokratien. Nach folgender wechselnder Nutzung durch Ämter, dann Bombenzerstörung bis zu Ruinenresten, wurde es, beginnend ab 1952 mit dem westlichen Seitenflügel, in Etappen wiederaufgebaut. Vollständig im Äußeren und dem Treppenaufgang historisch rekonstruiert, wurde es 1966 Domizil des „Institut und Museum für Geschichte der Stadt Dresden“, dem Vorläufer des heutigen Stadtmuseums.
Seit 2003 legen erneut Bauleute Hand an zur Renovierung und notwendigem Ausbau auf heutige konservatorische und Sicherungs-Anforderungen. Wenn alles, auch mit Garten und Freifläche, im Jahr 2006 fertiggestellt sein wird, sind 7,3 Millionen Euro verbaut. Die Stadtgalerie hat ihre erste Etage der Seitenflügel Ost und West bereits bezogen. In den Etagen darüber bis in das Dachgeschoß präsentieren sich die stadtgeschichtlichen Ausstellungen des Museums, spätestens zum Stadtjubiläum 2006. Das Einganggeschoß, mit Zugang, nun historisch korrekt, durch das repräsentative Portal an der Landhausstraße, bietet den Besuchern, Museumsshop und auch ein Museumscafé. Stadtmuseum und Stadtgalerie Dresden gehen gerüstet in die Zukunft. (15.8.2005 Bäu)
Große VISION - kleiner ETAT
(25.8.2005) TOP-Magazin sprach mit Werner Barlemeyer, Amtsleiter Museen der Stadt Dresden über die junge Städtische Galerie Dresden.Die neue Stadtgalerie schickt sich an, in die Riege der großen Stadtgalerien Deutschlands einzurücken. Wie wollen Sie diese Vision ausfüllen; ihr Ankaufsetat beläuft sich auf nur 20 Tausend Euro:
Zunächst es ist wichtig, dass wir eine Vision einlösen, die nicht erst unsere Generation gehabt hat sondern die zurückgeht. Ich erinnere, dass der junge Fritz Löffler, schon als Assistent bei den Sammlungen, dann später 1957 die Forderung stellte, einen Ort aufzumachen mit dem Kontext Kunst und Stadt. An diese Vision müssen wir eine weitere setzen, was wir darüber hinaus wollen. Uns vergleichen in Zukunft mit den städtischen Galerien, ich sage mal, in Stuttgart, in München. Es ist ja auch nicht zufällig, dass diese, wie die unsere, Residenzstädte sind, die auch zugleich eine ausbildende Funktion immer schon gehabt haben. Wir knüpfen jetzt an wo jene Sammlungen unter unvergleichlich günstigeren Bedingungen entstanden sind und auch eine deutlich kontinuierlichere Entwicklung gehabt haben.
Der Etat allerdings, das ist wahr, ist bescheiden und trägt dem Rechnung was in schwierigen Zeiten aushandelbar ist. Doch wir haben eine ganz spannende Erfahrung gemacht, dass den öffentlichen Mittel, die sicher eine Rolle spielen, sich etwas anderes zugesellt. Nämlich das Engagement von Dresdnern und solchen, die nicht mehr in Dresden leben und ihrer Stadt verbunden sind, aber auch von Sammlern die gar nicht von hier stammen. Die, als sie von diesem Ereignis erfuhren, dass eine Stadt in schwierigen Zeiten eine Galerie neu aufmacht, gesagt haben, wir können ihr etwas als Leihgabe, als Dauerleihgabe geben. Und, ganz überraschend, sind ganz beachtliche Schenkungen auch schon dabei.
Erdrücken nicht im Wettbewerb die großen staatlichen Kunstsammlungen, auch quasi vis a vis, die kleine städtische?
Ich denke der Vergleich per Fläche ist das eine und die Frage nach den Inhalten und den Sammlungszwecken das Andere. Kunst- und enzyklopädische Interessen der Kurfürsten, haben diese Sammlungen zu Stande gebracht. Sie wurden dann ganz bedeutend erweitert um viele Schätze der Weltkunst. Das ist eine andere Tradition und ein anderer Anspruch. Wir formulieren für die Städtische Galerie nicht mehr und nicht weniger, als Überliefertes und Gegenwärtiges der Kunst und von Künstlern der Stadt in einem Diskurs zu bringen. Das ist etwas anderes als bloß Sammeln und es ist spannend. Aus der Erfahrung der ersten Wochen stellen wir fest, dass es einen unglaublich hohen Zuspruch gibt, mit einem Publikum, das freudig auf dieses Ereignis der Kunstpräsentation in der Stadt reagiert. Und soweit es sich um Touristen handelt, diese auch in hohem Maße beides besuchen, die Galerie Neue Meister und die Stadtgalerie, gerade weil vis a vis.
Das Gespräch führte der Autor im August 2005.